Weiblichkeit zwischen Körper und Leib. Zur Bedeutung des Mutterkörpers in der weiblichen Identitätsentwicklung
Zur Bedeutung des Mutterkörpers für die weibliche Entwicklung und Identität
Im Zusammenhang mit der Debatte um den Geburtenrückgang steigt auch das gesellschaftliche und mediale Interesse an der Bedeutung der Mutter ( z. B. „ Wie viel Mutter braucht das Kind“, Spiegel, 2008, Nr. 9; „Was ist eine gute Mutter?“, Geo,05/07).
Bis heute hat die Mutterschaft zu vielfältigen Ideologiebildungen geführt. Auch in den wissenschaftlichen Disziplinen der Psychologie, Pädagogik und Soziologie verbergen sich tradierte Mutterschaftskonzepte, die die Frau in ihrer Mutterrolle in den Dienst der gesunden Entwicklung des Kindes stellen und mit „totalisierenden Mutterbildern“ funktionalisieren (vgl. Herwartz-Emden, 2002).
Mutterschaft und Mutterliebe werden den Frauen als genuin weibliche Eigenschaften zugeschrieben (vgl. Elisabeth Badinter, 1984), die Sexualität der Mutter wird von der Mutterschaft abgespalten und ihre Gebärfähigkeit funktionalisiert. Infolge werden Mutterschaft und der mütterliche Körper weder als aktive, Interessen geleitete Entscheidung und Tätigkeit noch als eigene Befriedigung der Frau (vgl. Kitzinger, 1993) untersucht.
Ein konfikthafter Umgang mit dem weiblichen Körper im allgemeinen
und dem Mutterkörper im besonderen sowie eine Abwehr des weiblichen
Begehrens spielen- sowohl in den wissenschaftlichen (psychoanalytischen)
Theorien wie der gesellschaftlichen Praxis – eine zentrale Rolle.
In meinen Überlegungen folge ich der Hypothese, dass die Gebärfähigkeit
der Frau, verstanden als körperliches Potenzial – über eine Schwangerschaft
gelebt oder nicht – einen bedeutsamen Einfluss auf die weibliche Identität
ausübt.
Von frühester Kindheit an beeinflussen Hemmungen und Tabus die psychische Aneignung der weiblichen Genitalität und des weiblichen Körpers als Ort des Begehrens und der Selbstbestimmung und schließen die generative Potenz mit ein.
In diesem Zusammenhang schreiben sich vor allem unbewusste verinnerlichte Geschlechtsrollenvorgaben und Weiblichkeitsbilder in die weibliche Sexualität, Leidenschaft und Mutterschaft ein, die zu tief verinnerlichten Denk-, Handlungs- und Körperfiguren über Weiblichkeit führen. Unbewusste Identifikationen, die in Familienideologien eingewoben sind, verweisen auf übergreifende kollektive Einflussfaktoren, die entsprechend einer patriarchalen Gesellschaftsordnung der Logik der getrennten Sphären von Öffentlichkeit versus Privatheit, Karriere versus Kinder, Autonomie versus Abhängigkeit, Beruf versus Familie folgen.
Eingebunden in eine historische und entwicklungspsychologische Perspektive
auf den Mutterkörper und den Frauenkörper möchte ich nachzeichnen wie
die gesellschaftlichen Zuschreibungen sich des weiblichen/mütterlichen
Körpers bemächtigen und auf die weibliche Identitätsentwicklung und
das weibliche Selbstverständnis auswirken.